22. März 2017 Thorsten Reiner

Heidelberg – Am 18.09.2005 wurde bei der von blut.eV organisierten Typisierungsaktion „Aktiv-für-David“ in Malsch für den damals fünfjährigen David, der an Fanconi-Anämie erkrankt war, dringend ein Stammzellspender gesucht. 1.885 Menschen kamen und ließen sich als freiwillige Stammzellspender registrieren. Einer von ihnen war Thorsten Reiner, ein 28 Jahre alter Elektroniker aus Oberderdingen. Als Thorsten Reiner im Januar 2009 Post vom Heidelberger Stammzellregister bekam, war er zunächst nicht überrascht. Das änderte sich allerdings, als er den Inhalt des Umschlages in Augenschein nahm. Lesen Sie hier seinen Bericht:

„Als ich mich 2005 als Stammzellspender registrieren ließ, hätte ich nicht gedacht dass gerade ich so schnell jemanden helfen kann. Ich war gewohnt einmal jährlich Post vom Heidelberger Stammzellenregister zu bekommen, nach dem Motto ‚Hat sich Ihre Adresse geändert?‘ und so. Da diese Briefe immer zu Beginn des Jahres kamen, hatte ich mich zuerst nicht gewundert, als ich im Januar Post erhielt. Als ich dann aber gesehen habe, dass es kein gewöhnlicher Briefumschlag war, sondern ein großes DIN A4 Kuvert begann ich zu zittern. Ich habe das Kuvert in meiner Mittagspause geöffnet und erfahren, dass ich unter Umständen als Spender für einen Patienten in Frage kommen könnte. In diesem Moment hatte ich für einen ganz kleinen Augenblick etwas Bammel.

Noch am gleichen Tag habe ich in Heidelberg angerufen. Eine der ersten Fragen, die man mir stellte, war ob ich mich für eine weitere Untersuchung zur Verfügung stellen würde, um eventuell einem schwerkranken Leukämiepatienten zu helfen. Da musste ich trotz meiner Angst vor Nadeln nicht mehr lange überlegen, und habe zugesagt.

Vier Tage später bekam ich per Post weitere Röhrchen für Blutproben nach Hause geschickt. Ich ging mit ihnen zu meinem Hausarzt und stellte mich der „Nadelattacke“, sprich ich ließ mir mehr Blut abnehmen. Das Blut wurde zu bestimmten Untersuchungen an zwei verschiedene Kliniken geschickt. Danach hieß es Abwarten. Bei dem Telefonat mit Heidelberg wurde mir bereits gesagt, dass ich innerhalb von vier bis sechs Wochen weitere Nachricht erhalten würde. Falls dem nicht so sei, habe sich die Spende vorerst erledigt.

Weniger als zwei Wochen danach meldeten sich Frau Jarck und Herr Stadtherr von der Transplantationskoordination der Heidelberger Uniklinik bei mir. Ich war als Spender geeignet. Meine Werte ergaben zehn von zehn Übereinstimmungen der HLA-Merkmale mit denen des Empfängers. Auch bei diesem Gespräch mit den Heidelberger Koordinatoren wurde ich wieder sehr freundlich gefragt, ob ich immer noch bereit wäre meine Stammzellen zu spenden. Für mich war allerdings bereits ab dem ersten Telefonat klar, dass ich helfen würde, und ich sagte zu.

Daraufhin erhielt ich eine Einladung zur Voruntersuchung am 03.02.2009 um 8.00 Uhr in die Heidelberger Poliklinik. Es war klar, dass mich mein Freund Phillip, der ebenfalls mit mir bei der Typisierungsaktion 2005 war, zu dieser Untersuchung begleiten würde. In der Klinik angekommen, lernte ich meinen Koordinator Herrn Stadtherr persönlich kennen.

Es folgte ein Krankenhaus-Untersuchungsmarathon mit Ultraschall, Blutabnahme (Nadeln!), EKG und ca. 10 Fragebögen, die ich ausfüllen musste. Dann wurde mir erklärt und gezeigt wie die Hämapherese, also das Absammeln der Stammzellen aus meinem Blutkreislauf, funktioniert. Für die Stammzellspende als Entnahmemethode im Unterschied zur Knochenmarkspende hatte ich mich schon beim ersten Telefonat entschieden. Ich hatte das Glück, es mir aussuchen zu können. Als ich gegen 14.00 die Uniklinik verlassen habe, hatte ich bereits neun Spritzen G-CSF und einen dazugehörigen Terminplan im Gepäck.

G-CSF ist ein Hormon, welches bewirkt dass Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut übergehen, wo sie dann mit der Hämapherese herausgefiltert werden können. Das sollte ich mir nach dem Terminplan zweimal täglich spritzen. An diesem Tag habe ich unter anderem auch Patienten in der Klinik gesehen, und mir wurde zum ersten Mal richtig bewusst, dass ich einem Menschen helfen kann. Das war ein sehr gutes Gefühl.

… am 20.02. begann ich mit dem Spritzen des G-CSF. Inzwischen habe ich keine Angst mehr vor Nadeln. Hierfür muss ich mich bei Nadine bedanken. Sie besuchte mich zweimal täglich, und verabreichte mir die Spritzen. Alleine hätte ich das nie hin bekommen.

Ab dem zweiten Tag der G-CSF Gabe bemerkte ich leichte Gliederschmerzen und Erschöpfung als Nebenwirkungen, dies hielt sich aber in einem sehr erträglichen Rahmen. Meine Stammzellspende wurde für den 24.02.09 angesetzt, um 8.00 Uhr morgens.

In meinen Freunden Phillip und Nadine hatte ich hervorragende moralische Unterstützung. Gegen 8.30 Uhr wurde ich in einem Top-Einzelzimmer mit Privatfernsehen an den Zellseparator angeschlossen, und von einem der besten Ärzte- und Schwesternteams, das man sich vorstellen kann hervorragend betreut. Nach knapp 3 Stunden war die benötigte Menge an Blut durch den Separator gelaufen, und die Spende beendet.

Nun hieß es, auf das Ergebnis der Laboruntersuchung des Transplantates zu warten, bei der die genaue Anzahl meiner „geernteten“ Stammzellen bestimmt wurde. Ungefähr eine und eine halbe Stunde später war dann das Ergebnis da. Es konnten 5,3 Millionen Stammzellen gewonnen werden, und 4 Millionen wurden für den Empfänger benötigt. Das war eine ausgezeichnete Nachricht. „Meine“ Stammzellen wurden noch am gleichen Tag zu dem Empfänger gebracht.

Am Abend nach der Spende war ich erschöpft, aber glücklich. Ich konnte bereits am nächsten Tag an meinen Arbeitsplatz zurückkehren, und hatte keinerlei Nachwirkungen durch das G-CSF oder durch die Prozedur der Zellentnahme. Nach solch einer Tat fühlt man sich SEHR SEHR GUT! Ich denke seit meiner Spende jeden Tag an „meinen“ Patienten und hoffe, dass er oder sie auf dem Wege der Besserung ist!“

Thorsten Reiner, Oberderdingen im März 2009