22. März 2017 Andreas Friedrich

Es überraschte mich schon ein wenig, als Ende Juni 2006 das Telefon klingelte und die freundliche Stimme am Telefon mir erklärte, das sie vom Heidelberger Stammzellenregister sei. Sie teilte mir mit, dass aufgrund meiner Typisierung im Jahre 2001 nun ein leukämiekranker Patient mit meinen Gewebemerkmalen übereinstimme und fragte, ob ich grundsätzlich bereit wäre für diesen Fall Knochenmark oder Stammzellen zu spenden. Nachdem ich dies bejahte, wurden mir weitere Röhrchen zur Blutentnahme zugesandt mit der Bitte, beim Hausarzt oder einer Klinik meiner Wahl Blut abnehmen zu lassen. Drei dieser Röhrchen schickte ich im Freiumschlag wieder nach Heidelberg in die med. Poliklinik, die drei weiteren holte dann ein Kurier ab, der diese zur Zielklinik des Patienten brachte. Gleichzeitig teilte mit die freundliche Dame des Stammzellenspenderregisters mit, dass sie sich Mitte August wieder melden würde, sobald die erweiterte Blutuntersuchung abgeschlossen sei.

Doch solange sollte es nicht dauern.
Offensichtlich spielt die Zeit eine wesentliche Rolle und bereits Mitte Juli bat man mich, da alle Gewebemerkmale übereinstimmten, am 11.8.2006 zu einer intensiven Spenderuntersuchung und teilte mir gleichzeitig mit, dass im Falle einer Freigabe zur Spende, am 7.9.2006 die Stammzellenentnahme stattfinden sollte. Da ich mich für eine periphere Stammzellenentnahme statt einer Knochenmarkspende entschieden hatte, wurde ich am 11.8.2006 in 5 Stunden untersucht. Diese Untersuchungen umfassten vom EKG über einige Röhrchen Blut, 1 Röhrchen Urin und den Ultraschall der Bauchorgane wie die Bestimmung der Größe der Milz… einiges. Man erklärte mir, das nur wenn alle Untersuchungen ohne Befund verlaufen eine Zulassung zur Stammzellenspende in Frage komme, um zum einen den Spender, und zum anderen den sowieso schon schwachen Empfänger vor weiteren Gefährdungen zu schützen. Erst in diesem Augenblick wurde mir klar, das ich hier auch über meinen eigenen Gesundheitszustand eine kompletten Überblick bekommen würde, zumal man mir mitteilte , das ich mich mit der Auswertung aufgrund der Komplexität der Untersuchungen einige Tage gedulden müsse und man mir das Ergebnis rechtzeitig telefonisch mitteile.
Trotzdem bekam ich am Untersuchungstag 9 Spritzen mit Neupogen, das ist der Wachstumsfaktor G-CSF mit, mit dem ich mich ab Sonntag den 3.9.2006 im Falle einer Freigabe morgens mit 48 Mio. Einheiten und abends mit 30 Mio. Einheiten täglich subkutan selber spritzen oder spritzen lassen solle.

Am 19.8.2006 klingelte mein Handy in der Mittagszeit und eine Heidelberger Nummer stand im Display. Ein mulmiges Gefühl durchfuhr mich, doch das sollte unbegründet sein. Das Transplantationszentrum meldete sich und ich erfuhr, dass meine Untersuchungen allesamt ohne Befund waren, ich darf ohne Einschränkungen zur Stammzellspende. Ab diesem Zeitpunkt gab es kein zurück mehr. Die Empfängerklinik begann damit, beim leukämiekranken Patienten mit einer Chemotherapie auch den letzten Rest seines Immunsystems zu zerstören und ich spritzte mir ab dem 5.9.06 gemäß den Weisungen der Poliklinik Heidelberg das Neupogen. Dieser Wachstumsfaktor fördert die Produktion von Stammzellen im Knochenmark in der Weise, das diese in das periphere Blut ausgeschwemmt werden. Als Nebenwirkungen trat dabei leichtes Ziehen im Beckenbereich auf, wofür ich Paracetamol mitbekommen hatte. Da diese Beschwerden nicht mehr als vielleicht ein Muskelkater auftraten, verzichtete ich auf eine Schmerzbehandlung. Natürlich hätte ich jederzeit das Recht gehabt, alles abzubrechen, doch hätte das mit hoher Sicherheit den Tod des Patienten zur Folge gehabt. Und genau das war genügend Motivation für mich, eben dieses zu verhindern. Am 7.9.2006 war es soweit. Mein Kollege Hubert Dressel ließ es sich nicht nehmen mich persönlich nach Heidelberg zu fahren, die ganze Zeit während der Leukapherese (Stammzellentnahme) dabei zu bleiben und mich auch wieder heim zu fahren. Die Stammzellentnahme erfolgte in 3 Stunden am Zellseparator, hierzu waren 2 periphere Venenpunktionen notwendig.

Im Anschluss an die Entnahme gab es einen Snack in der Cafeteria mit einer hervorragenden Betreuung durch eine Mitarbeiterin des Registers und gegen 13:30 erfuhr ich, das die Anzahl der Zellen nicht ausreicht und ich am nächsten Tag noch einmal für drei Stunden an die Maschine musste. Am Freitag 8.9.06 ließ ich in Begleitung meiner Ehefrau die gesamte Entnahmeprozedur noch einmal über mich ergehen und die Summe der gesammelten Zellen reichte dann auch aus. Noch am selben Tag holte in der Mittagszeit ein Kurier die gesammelten Zellen ab und brachte sie auf dem Luftweg zur Zielklinik des leukämiekranken Patienten, der diese noch am selben Tag erhielt. In ca. acht Wochen werde ich erfahren, ob die Therapie, für die ich diese Strapazen auf mich genommen habe, den entsprechenden Erfolg haben wird.
Über die Identität des Empfängers erhält man aus Schutzgründen für beide aber frühestens nach 2 Jahren Auskunft, vorausgesetzt beide Seiten sind damit einverstanden.

Ich habe diesen kleinen Bericht mit dem Ziel geschrieben, das möglichst viele, die ihn lesen, in sich gehen und ebenfalls typisieren lassen, um evtl. auch die „Stecknadel im Heuhaufen“ zu sein, die vielleicht eines Tages das Leben eines Menschen rettet. Ein Danke an meine Kollegen, die mich in allen diesbezüglichen Situationen unterstützt und sogar Dienste getauscht haben, an meinen Wachenleiter, der mir sofort Sonderurlaub für den Spendentag einräumte und an die Poliklinik Heidelberg für die hervorragende Betreuung über den gesamten Zeitraum. In der Hoffnung auf eine schnelle Genesung meines Stammzellempfängers und der Hoffnung auf viele Nachahmer möchte ich diesen kleinen Bericht vorerst schließen.